„Die erste Generation schafft Vermögen, die zweite verwaltet Vermögen, die dritte studiert Kunstgeschichte, und die vierte verkommt.“ Otto von Bismarck
Zur Bestätigung dieses Zitats fallen Ihnen bestimmt einige Beispiele ein – egal ob in Dynastien oder Konzernen oder Familienunternehmen.
Müssen Familienunternehmen zwangsläufig so einen Verlauf nehmen?
Betrachten wir dazu eine Dynamik in Familienunternehmen, die in den 50-ziger oder 60-ziger Jahren aufblühten?
Manchmal standen an deren Spitze Pioniere oder Visionäre mit Ideen für den Zahn der Zeit, manchmal waren es Handwerker und Dienstleister, die mit Mut, Tatkraft und Fleiß, Firmen gründeten oder fortführten. Vielleicht begünstigten auch die äußeren Umstände, wie der Wiederaufbau nach den Kriegsjahren oder der wirtschaftliche Aufschwung und dem damit verbundenen Konsum, deren Aufstieg. Diejenige, die über Jahrzehnte am Markt blieben, gab ihr Erfolg Recht.
Oftmals waren die Gründer starke Persönlichkeiten mit Durchsetzungskraft und einem gewissen Wagemut.
Jeder ist ein Kind seiner Zeit.
Erfolgreiche Menschen aus diesen Jahrzehnten zeichnete Fleiß und Funktionieren aus und der Glaubenssatz „der Mensch sei für die Arbeit da“. In Familienunternehmen trat mit dem Credo „selbst-und-ständig“ die Familie in den Hintergrund. Kontrollsysteme, starre Strukturen und senkrechte Hierarchie unter auch dominanter Leitung prägten darüber hinaus diese Zeit. Die Gründer oder die Gründerin identifizierten sich oftmals nur mit der einen Rolle, der des Chefs oder der Chefin. An dieser incl. der Hoheit über das Geld und die Besitztümer wurde und wird festgehalten bis…. zum Tod.
Sonnenauf- oder untergang der Folgegenerationen
Wenn immer eine starke Persönlichkeit an der Familienspitze steht und die Wahrheit und den Erfolg für sich gepachtet hat, haben es in dessen Nähe andere Familienmitglieder schwer, aufstrebend und wirksam zu sein. Mitunter wählen Kinder, die in diesem System aufwachsen aus Angst vor verbaler Abwertung, den Weg des angepassten Kindes. Sie ordnen sich unter. Solange diese Kinder auch im Erwachsenenalter diese Verhaltensweise beibehalten, können sie weiterhin Teil dieses Familiensystems sein. Gerne werden sie zum Nachfolger oder zur Nachfolgerin erwählt. Diese haben gelernt nicht zu widersprechen und sich hinten an zu stellen. Sie sind der Garant, Altbewährtes beizubehalten.
Bedeutende oder dominante Firmenoberhäupter*innen fühlen sich wohler und sicherer, wenn sie kontrollieren und die Leitung und Verantwortung nicht aus der Hand geben. Somit können die Nachkommen, Führungs-Qualifikationen nicht trainieren und keine Erfahrungen sammeln, welche Auswirkungen die oder jene selbst getroffene geschäftliche Anordnung haben könnte.
Mitunter kann es vorkommen, dass eine Generation in der Nachfolge ausgesetzt wird, weil z.B. der / die Urheber*in bis dato nicht loslassen konnte. Die Abgabe in die übernächste Generation fällt vielleicht leichter, da die Kräfte des Oberhaupts nachlassen.
Wer zum Nachfolger oder Nachfolgerin erkoren wird, muss nicht immer ausgesprochen werden. Oftmals spürt ein Kind die unbewusste Erwartungshaltung eines Elternteils oder den gesellschaftlichen Druck. Klassisch für manche Branchen ist die Übernahme durch den erstgeborenen Sohn. Dabei können Loyalität ggf. vermengt mit Schuld und Pflichtbewusstsein des Kindes eine Rolle spielen oder das Motiv, es den Eltern beweisen zu wollen. Verschiedentlich tritt ein Nachkomme auch in die Fußstapfen des Vaters oder der Mutter, weil er oder sie die Fähigkeiten und die Begeisterung mitbekommen hat.
„Nichts ist so beständig wie der Wandel.“ – Heraklit von Ephesus
Die dritte Generation genießt eine nochmals andere Erziehung und Bildung als die Vorfahren und entwickelt somit auch andere Bedürfnisse, Werte und Vorstellungen, auch in Bezug auf Führungsstile und Firmenphilosophien. Da das Familienunternehmen seit Bestehen auch Tiefen überstanden hat, fallen Schritte zur Veränderung dennoch schwer, obwohl eine Weiterführung von ausschließlich Altbewährten nicht mehr sinnvoll erscheint. Markt- und Lebensbedingungen haben sich mit den Jahrzehnten gewandelt.
Vereinzelt sind die Einstellungen der Gründer- Generation noch in den Köpfen einiger Familienmitglieder verankert und blockieren nötige Abänderungen.
Mit dem urgroßväterlichen Betrieb kann sich der ein oder andere Nachkomme nicht identifizieren. Jede Persönlichkeit hat spezifische Potentiale und benötigt eine eigene Struktur, um der Führungsaufgabe gewachsen zu sein.
Mit Zunahme der Firmengröße wird das Gefüge komplexer und unüberschaubarer. Vor allem, wenn die jüngeren Mitglieder diese Wachstumsphase nicht mit begleitet haben, fühlen sie sich schneller überfordert und scheuen die Verantwortung für das Ganze.
Je länger der Betrieb über Generationen hinweg in der Familienfolge bleibt und das Leben aller Mitglieder dominiert, desto größer ist Gefahr des Überdrusses in einer der Folgegeneration. Die Konzentration ausschließlich auf die Firma, wird von den Jüngeren nicht mehr mitgetragen. Individualität, Kreativität, Verwirklichung, Freizeit, Familiensinn, freundschaftliche Personalführung, Nachhaltigkeit oder Gedanken an die Umwelt werden wichtig. Dieser Sinneswandel wird leichter im Alltag gelebt, je mehr die Familienmitglieder finanziell abgesichert sind.
Der Spruch, den jungen Leuten gehe es zu gut, beschreibt die Auffassung der älteren Generation, dass die Jugend zu viel freie Zeit und wenig Pflichtbewusstsein hätte. Dabei verlieren sie sich in unpraktische Ideen. Diese Ansichten seien ungeeignet für ein Fortbestehen des Familienunternehmens oder nur etwas für Großkonzerne.
Ohne Rückhalt ist es für den Nachwuchs schwer, alte, bisher mehr oder weniger erfolgreiche Pfade zu verlassen und Neues einzuführen. Sie sind verunsichert und wollen am Untergang des Betriebes nicht schuld sein. Sie treten die Nachfolge nicht an.
Der Seniorchef oder die Seniorchefin fühlen sich oftmals nicht in der Lage, einen externe*n Nachfolger*in zu suchen oder finden. Wenn das Familienunternehmen nicht rechtzeitig so aufgestellt wird, dass es verkauft werden kann, wird es mit der Senior-Generation begraben.
Bismarcks Zitat – richtig oder falsch?
Trifft diese Aussage Otto von Bismarcks nun generell zu oder bewahrheiten sich die Zeilen, solange die Verschiedenheit der Persönlichkeitstypen und die systemischen Zusammenhänge über Generationen hinweg nicht berücksichtigt werden?
Ich schließe mit folgenden Fragen, die zum Nachdenken anregen sollen:
- Werden im Familienunternehmen Prioritäten falsch gesetzt, z.B. Festklammern an die Firmenstruktur oder an die Führungsrolle einzelner?
- Wird der Nachwuchs nicht ausreichend ernst genommen, stattdessen angehalten, sich hinten an zu stellen?
- Wird zu wenig Augenmerk daraufgelegt, Nachkommen ausprobieren zu lassen, auch in Bezug auf Führung und Verantwortung?
- Werden Beziehungs- und Kommunikationsebene auf Augenhöhe vernachlässigt?
- Werden Regeln von einer oder zwei Personen bestimmt?
- Werden Persönlichkeit und Potentiale jedes Einzelnen zu wenig berücksichtigt?
- Wird an traditionellen Rollenbildern zu stark festgehalten? Wird zu spät der Nachfolgeprozess eingeleitet?
- Wäre es sinnvoller, eine Betriebsumgestaltung nach Ansichten des Nachwuchses, vorzunehmen, solange die ältere Generation noch mitwirkt und ausreichend finanzieller Puffer vorhanden ist?