Führungsstile in Familienunternehmen im Kontext familieninterner Nachfolgebereitschaft (Teil 1)

von | 15.02.2023 | Unternehmensübergabe, Nachfolgegeneration, Seniorunternehmer

Traditionelle Führungsstile

Das Gabler Wirtschaftslexikon unter der Rubrik BWL>Allgemeine BWL>Personal>Grundlagen und Funktionen der Personalführung beschreibt Führungsstile als „typische Art und Weise des Verhaltens von Vorgesetzten gegenüber einzelnen Mitarbeitern und Gruppen von Mitarbeiten. Führungsstile sind damit als zeitlich überdauernde und wiederkehrende Muster von Führungsverhalten zu begreifen, die situativ in sich konsistent sind.“

Mit meinem Artikel möchte ich Sie zum Nachdenken bzw. eine Diskussion in Ihrer Familie anregen. Ich beziehe mich hier ausschließlich auf familieninterne Führungspersonen.

Mein Augenmerkt lege ich dabei nicht auf das Führen von Mitarbeitern. Ich werfe die These in den Raum, dass der Führungsstil nicht an der Betriebstür endet, sondern sich auch in der Familie, in der Partnerschaft, in der Kindererziehung widerspiegelt, da das Firmen- Oberhaupt meist auch das Oberhaupt in der Familie ist. 

Führung ist individuell und basiert auch auf Werten, Welt-, Gesellschafts-, Arbeitsbedingungsanschauungen, Motiven und vor allem der Persönlichkeit der Führungskraft.  Dennoch sollte der Stil, um erfolgreich zu sein und Personal anzuziehen und den eigenen Nachwuchs zu fördern, den jeweils aktuellen Geist der Zeit erfassen. In der heutigen Zeit liegt das Augenmerk auf Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Veränderungsschnelligkeit aber auch, wie die Bedürfnisse und wachsenden Ansprüche der Mitarbeiter:Innen und der Nachfolgegeneration neben den wirtschaftlichen, den Unternehmenskriterien und dem Sozialstaat gerecht zu werden.

Die Art der Führung hat Einfluss auf einige erfolgsentscheidende Faktoren, wie beispielsweise die Jobzufriedenheit, Leistungsbereitschaft, Produktivität, Verantwortungsübernahme, Konfliktbewältigung, Loyalität oder Identifikation mit dem Unternehmen sowohl der Angestellten, Mitarbeiter als auch – so behaupte ich-  des eigenen Nachwuchses.

Führungsstile wie Sand am Meer?

In der Literatur findet man Begriffe zu Führungsstilen wie Sand am Meer, beispielsweise:

Autoritärer oder autokratischer Führungsstil

Patriarchalischer Führungsstil

Bürokratischer Führungsstil

Laissez-fairer-Führungsstil

Kooperativer Führungsstil

Charismatischer Führungsstil

Partizipativer Führungsstil

Situativer Führungsstil

Selten wird in der Praxis ein Stil in Reinform angewandt. Auch gibt es keinen einen guten oder besten Führungsstil. Verhaltensweisen aus verschiedenen Führungsstilen machen durchaus Sinn, je nachdem, welche Situation zugrunde liegt, was erreicht werden möchte und welche Persönlichkeitseigenschaften die Führungskraft aufweist.

Vielleicht ist es für ein oder anderen von Ihnen nochmals interessant, sich die Vorteile und die Kehrseiten verschiedener Führungsstile vor Augen zu halten – für Sie in Bezug auf Mitarbeiterführung, aber auch auf FAMILIE, KINDERERZIEHUNG, PARTNERSCHAFT.

Im Folgenden habe ich 3 Führungsstile ausgewählt und nach meinem Verständnis erläutert:

Führungsstil AttributeAutoritärer Führungsstil Kooperativer FührungsstilLaissez-fairer Führungsstil
Orientierung an Beziehungenniedrighochniedrig
Orientierung an Aufgaben oder Ergebnissenhochhochniedrig
Hierarchie/ Entscheidungsart– Klare senkrechte Hierarchie

– Oberhaupt entscheidet alleine
– Minimale senkrechte, Hierarchie

– Führungskraft u. Mitarbeiter/Familienmitglieder treffen gemeinsame Zielvereinbarungen
– Chef/Chefin sieht sich als       Alleinentscheider, mischt
sich aber solange alles nach seinen/ Ihren Vorstellungen entspricht, nicht ein bzw. hält sich beim Managen zurück.

– Oberhaupt wirkt teilnahmslos
Merkmale– Alleinige Entscheidungs-macht liegt beim Chef/Chefin

– Ggf. Nur ausgesuchte Mitglieder , Familienmitglieder haben Mitspracherecht

– Ziele, Struktur, Regeln
werden von oben vorgegeben

– Schwarz-Weiß-denken bzw. Richtig-Falschdenken

– Weigerung, externe Meinung sich einzuholen

– Keine emotionale Erlaubnis einer Fehlerkultur

– Hohes Sicherheitsdenken

– Chef/ Chefin wacht über die Einhaltung (Kontrollorgan)

– Keine/ wenig Möglichkeit zum Dialog auf Augenhöhe

– Nicht transparente Kommunikation

– Emotions- und Konfliktvermeidung

– Blinde Loyalität ist ein hoher Wert
– die Belange der Tätigkeit und Leistung werden mit den Belangen der Mitarbeiter/Familienmitglieder sinnvoll in Einklang gebracht

– Führungskräfte und Mitarbeiter /Familienmitglieder stimmen sich regelmäßig ab, besprechen sich, tauschen Informationen und Wissen aus

– Die Führungskraft bezieht ihre Mitwirkenden in ihre Entscheidungen mit ein, wobei sie weiterhin die Verantwortung für ihre Entscheidungen trägt. Von ihren Mitwirkenden erwartet sie dabei sachliche Unterstützung.

– weitmaschigere Kontrolle und reife Fehlerkultur

– Mitarbeiter fühlen sich wertgeschätzt

– Führungskraft delegiert so viel wie möglich und schreibt so wenig wie nötig vor. Sie erkennt die Fähigkeiten der Mitarbeiter an und ist sich dessen bewusst, dass sie selbst nicht alles wissen und überblicken kann.

– Die Führungskraft·       informiert umfassend, nicht nur über Tatbestände, die notwendigerweise für die Aufgabenerledigung bekannt sein müssen, sondern auch über sonstige betriebliche Gegebenheiten.

– offene Kommunikation

– Ziele und Aufgaben der Gruppe werden unter aktiver Beteiligung der Mitwirkenden an der Planung und an der Organisation umgesetzt
– Einstellung gleichdenkender
Mitarbeiter an entscheidenden
Posten 

– Große Entscheidungsfreiheit

– Selbstbestimmung der
Teamteilnehmer

– Individualität, Kreativität,
Spontanität können gelebt
werden
Eigenschaften der Führungskraft– hohe Eigenverantwortung, Disziplin

– permanentes Funktionieren

– Allein-Entscheidungsfähigkeit

– Verantwortungsbewusstsein

– Hohes Durchsetzungsvermögen, Durchhaltevermögen

– Niedriges Vertrauen und Zuversicht
– Aufgeschlossenheit

– Vertrauen in die Mitarbeiter/Familienmitglieder

– Verzicht auf persönliche Vorrechte

– Delegationsfähigkeits-
willigkeit
 
– Erfolgskontrolle
– Vertrauensvorschuss oder mind. Vertrauen in bestimmte Mitarbeiter/Familienmitglieder

– Geringere Delegationsfähigkeit-          /willigkeit

– Tendenz, bei Unstimmigkeiten, Miss-Ständen wegzuschauen bzw.  Konfliktscheuheit

– Führungskraft greift kaum ein (passiv, neutral)
Vorteile– hohe Entscheidungsge-schwindigkeit

– schnelle Handlungsfähigkeit

– Funktional langsichtiges Denken
– hohe Motivation weil Mitwirkungsmöglichkeit

– Entscheidungskompetenzen und persönliches Wachstum möglich

– Vielfalt, Kreativität

-Die Mitwirkenden sind meistens aufgrund der Aufgabe/Tätigkeit motiviert und weniger wegen des Geldes. Dadurch sind sie stärker engagiert, die Unternehmensziele zu erreichen.

– Achtung der Pluralität bzw. anderer Meinungen, Ideen
– Ausleben der Individualität,
der individuellen Stärken möglich

-Möglichkeit zur
Eigenverantwortung
Kehrseiten– Starres System

– Wenig persönliche Weiterentwicklungsmöglich-keit, wenig Mitgestaltung

– wenig Raum, Erfahrungen zu machen

– Wenig Möglichkeit zur Selbtstständigkeit und reifender Verantwortungs-übernahme

– Mangelnde Fehlerkultur

– mangelnde Motivation

– unflexible Entscheidungen durch die möglicherweise quantitativ und/oder qualitativ  überforderte Führungskraft.

– Schuldzuweisungen, da
etwas oder jemand richtig- das andere falsch ist
(Unter-Überanerkennung)

– Gefahr von emotionalen Spannungen, ungelösten Konflikten
– Verlangsamung von Entscheidungsprozessen

– Mangelnde Prozessstruktur

-mangelnde Profitausrichtung
– Kompetenz- und Rollenun-
klarheiten

– Mangelnde Struktur,
Desorganisation

– Schwierigkeit, gemeinsame
Ziele zu definieren

-Orientierungslosigkeit,
Motivationsverlust

– Gefühl der Überforderung,
da auf sich alleine gestellt

– unsicheres Terrain, da
Recht des Stärkeren

– Demotivationsverlust wegen
mangelnder Rückmeldung    durch die Führungskraft,
konstruktiver Kritik oder auch Verbesserungsvorschlägen

– Leistungsverlust

– Unbefriedigende
Geschäftsergebnisse

– erhöhtes Konfliktpotenzial

Übertragung auf Ihr Familienunternehmen im Kontext Förderung und Animierung Ihrer Kinder

Die folgenden drei Fragen möchte ich Ihnen an die Hand geben, um die Kultur in Ihrem Unternehmen besser zu erkennen und zu überdenken und was für Sie in Bezug auf Ihre Nachkommen relevant ist.

  1. Welche Person oder Personen in Ihrer Familienfirma prägt bzw. prägen den gelebten Führungsstil? ______________________________________________________________________________________________________
  2. Falls Sie zur potentiellen Übergebergeneration gehören: Was wollen Sie fördern oder sichern durch Ihren Führungsstil insbesondere in Bezug auf Familienmitglieder und Kinder? Falls Sie zur Nachfolgegeneration gehören: Worin möchten Sie unterstützt und gefördert werden? (bitte ankreuzen)
  • Unterordnung und Raushalten bei wichtigen Entscheidungen
  • Übernehmen von vorgegebenen Ansichten, bestehender Kultur, Struktur
  • Mitwirkung und Mitgestaltung (bei Zielen, Strukturen, Regeln, Kommunikationsweise, Struktur)
  • Innere Entwicklung, Persönlichkeitsentfaltung
  • Selbstständigkeit
  • Entscheidungskompetenz
  • Reifung zur Verantwortungsbefähigung
  • Soziale und Beziehungskompetenz
  • Konfliktbewältigung
  • Intrinsische Motivationsbefähigung
  • Passende Anforderungen, Erwartungen (weder Über- noch Unterforderung)
  • Selbstwertsteigerung

3. Welche Führungsstil-Attribute aus der Tabelle sind dafür günstig? Wie groß sind die Anteile des jeweiligen unterstützenden Attributes in Ihrem Unternehmen? Was wollen Sie zukünftig dazu beitragen, dass der Anteil sich erhöht?

AttributAnteil in %Ihr Beitrag



Ausblick auf Teil 2 dieser Thematik

Im Teil 2 „Führungsstile in Familienunternehmen im Kontext mit familieninterner Nachfolgewilligkeit„ erfahren Sie mehr über die Attribute einer Führungsrolle in der aktuellen Zeit.

Weitere Fragen können Sie unterstützen, sich Ihrer eigenen Vorstellungen und möglichen Hinternisse mehr bewusst zu werden.

Wenn es Sie interessiert, bleiben Sie dabei.

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