Führungsstile in Familienunternehmen im Kontext familieninterner Nachfolgebereitschaft (Teil 2)

von | 04.02.2023 | Unternehmensübergabe, Nachfolgegeneration, Seniorunternehmer

Zum besseren Verständnis lesen Sie vorab den Teil 1 „Führungsstile in Familienunternehmen im Kontext familieninterner Nachfolgebereitschaft“. Diese zwei Artikel bauen aufeinander auf.

Führungsrollen in der aktuellen Zeit

Ihr Familienunternehmen existiert vielleicht schon in 2., 3.  Generation oder darüber hinaus. Ihre Betriebsstrukturen, Ihrer Firmenkultur, Ihr Führungsstil haben vermutlich Ihr Unternehmen erfolgreich bis hierhergebracht.

Doch nun steht die Unternehmerfamilie vor einer großen Herausforderung. Nicht nur, dass Führen angesichts wachsender Unsicherheiten, Fachkräfteengpässen und zunehmender Veränderungsschnelligkeit herausfordernder wird, sondern die Persönlichkeiten der Nachfolge- und Übergebergeneration sind oftmals komplett andere. Teils möchte kein Familienmitglied die Verantwortung für das FamU übernehmen und, falls doch, stehen Veränderungen im System und der Führungsart zur Debatte.

Vielleicht fühlen Sie sich als Seniorgeneration orientierungslos, überfordert und ängstlich, da Sie die Kontrolle verlieren oder Ihnen Ihr Lebenswerk durch die Hände gleitet.

Vielleicht fühlen Sie sich als Juniorgeneration überfordert und unsicher, Änderungen vorzunehmen in Hinblick auf „never chance a winning team“. Jedoch merken Sie, dass die bestehende Art für Sie und Ihre Anschauungen nicht mehr die richtige ist. 

Was für ein Dilemma.

Eigenschaften einer Führungspersönlichkeit

Die auf den schottischen Philosophen Thomas Carlyle zurückgehende “ Great Man Theorie“ besagt, dass überragende Führungspersönlichkeiten bereits als solche geboren wurden. Nach dieser Theorie ist jemand eine (geborene) Führungspersönlichkeit (Leader) – oder eben nicht.

Zu den notwendigen Eigenschaften großer Führungspersönlichkeiten im Sinne der Great Man Theorie gehören:

  • Energie
  • Motivation
  • Durchsetzungsvermögen
  • Beharrlichkeit
  • Intelligenz
  • Verantwortungsbewusstsein
  • Selbstvertrauen
  • Aufgeschlossenheit
  • Empathie und mitfühlendes Verhalten
  • Ehrlichkeit
  • Vorausschau
  • Initiative

Obwohl diese Kriterien weiterhin in der Wirtschaft eine Rolle bei der Auswahl der Führungskräfte spielen, wird die Aussage, dass man als Führungspersönlichkeit geboren wird eher skeptisch betrachtet, vor allem, weil sich die Werte von Führung auch verändern und das Propagieren einer ausschließlich senkrechten Hierarchie aufgeweicht wird. Darüber hinaus wird auf weitere Faktoren wie Persönlichkeitsbildung und Sozialverhalten wert gelegt.

Nehmen wir mal an, wie ich in Teil 1 beschrieben habe, dass der Führungsstil auch in der Familie Anwendung findet. Dann darf sich das Oberhaupt daran messen lassen, wie er oder sie den Nachwuchs frühzeitig auch im Sinne der Eigenschaften einer Führungspersönlichkeit fördert: Schafft sie oder er es mit der eigenen Art und Weise und mit geeigneten Vorleben der Chef:innen Rolle speziell neben Mitarbeiter:Innen die eigenen  Kinder zum WOLLEN und KÖNNEN zu bewegen.

Folgende Grundlagen schaffen dabei u.a ein Wollen: Förderung der Kinder im Bereich Persönlichkeit, Sozialverhalten, damit diese ausreichend Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, aber auch Empathie aufweisen, um einer Führungsrolle gewachsen zu sein. Darüber hinaus die Fähigkeit, sich selbst zu dieser Aufgabe motivieren zu wollen und zu können.

Zum Können gehören Wissenserwerb, Bildung und sowohl positive als auch negative Erfahrungen sammeln zu dürfen und mit Fehlschlägen umgehen zu lernen.

Nützliche Attribute einer Führungsrolle in der aktuellen Zeit

Die jüngere Generation versucht, Führung weniger personenabhängig, dafür mehr systemabhängig zu gestalten. Es wird dabei der Fokus auf Teamorientierung, Kommunikation, Beziehungskompetenz, Selbstständigkeit, Selbstmotivation, Bewusstheit und eine Verteilung der Verantwortung auf mehrere Schultern gelegt. Oftmals tritt die Führungskraft eher als Coach und weniger als ständigeR MitarbeiterIn im operativen Geschäft auf. Nicht jedes Familienmitglied und insbesondere die ältere Generation kann diese Einstellungen teilen.  

Aber können Sie als Nachfolgergeneration den Führungsstil, den Sie nachahmen sollen, dauerhalft durchhalten und vertreten?

In der aktuellen Zeit werden u.a. folgende Eigenschaften als Erfolgsfaktoren einer Führungspersönlichkeit angesehen:

  • Beziehungsintelligenz für eine gute Beziehungsqualität, die sich an der persönlichen Einstellung zum Unternehmen und den Grad der Verbundenheit zeigt. Laut Stefan F. Gross, Gründer der Initiative Führungskultur Deutschland® und des Führungskultur-Monitor® gelingt es mit Beziehungsintelligenz ®  „Kunden und Partner in der Kommunikation und Zusammenarbeit zu gewinnen, zu begeistern und zu bewegen – und ihre Wertschätzung, Loyalität und Unterstützung nachhaltig zu sichern.“
  • Selbstführungskompetenz als Vorbildfunktion. Denn, nur, wer sich selbst gut führen kann, kann andere Führen und Vorbild sein. Kriterien dafür sind: Fähigkeit zur Selbsterkenntnis, Möglichkeit der individuellen Potentialentfaltung, Achtung von Grenzen, Verantwortungsübernahme für Leistungs-, Erholungszeiten.
  • Führen der Mitarbeiter bzw. in Familienunternehmen Mitnehmen der Nachfolgegeneration beinhaltet Förderung und gezieltes Einsetzen der individuellen Potentiale, Animieren zur Leistungsbereitschaft in einem körperlichen und psychisch gesunden Ausmaß und Erzeugen eines Mannschaftsgeists, um gemeinsame Ziele zu erreichen und  erfolgreiche Betriebsergebnisse zu erzielen bzw. zu erhalten.
  • Vermittlerposition: Ermittlung und Vermittlung von Zielen, Werten, Anforderungen, Regeln, Strukturen zwischen verschiedenen Parteien und in Unternehmerfamilien zwischen den Familienmitgliedern. 
  • Netzwerker:  Den Überblick über verschiedene Bereiche und Abteilungen, sowohl von internen als auch externen zu haben, wie Vertrieb, Herstellung, Verwaltung, Werbung, IT, Rechtsabteilung etc., die dazu benötigten Kontakte zu pflegen und die gegenseitige Kommunikation und Kooperation der Bereiche zu fördern.

Ich höre oft die Aussage, dass familien-geführte Unternehmen oftmals zu klein seien, um sich zu leisten, als ChefIn nicht im alltäglichen Geschäft mitzuarbeiten.

Aber muss es denn immer „entweder – oder“ sein, ein entweder die traditionelle Richtung oder die nach neueren Einstellungen? Ich kann mir eine Vielzahl von Mischmöglichkeiten, ein „sowohl- als auch“, vorstellen.

Ansätze für Sie und Ihr Unternehmen

Die Beantwortung folgender Fragen je nach Ihrer Rolle lässt Sie spüren, was Sie wirklich denken und wollen.

Beobachten Sie, welche Gedanken und Gefühle in Ihnen aufkommen.

 

Sie in der genannten Rolle, Funktion:Können Sie folgende Fragen befriedigend beantworten?
Als JuniorIn, wenn Sie im elterlichen Betrieb tätig sind und
sich mit den Gedanken hegen, es einmal zu leiten:
1. Würden Sie die Führung des Familienbetriebes weiter so ausüben
können und wollen, wenn plötzlich die ältere Generation
ausfallen würde?
2. Fühlen Sie sich dabei ausreichend gefestigt?
Als bestehendeR ChefIn, wenn Sie den Betrieb schon seit
mehreren Jahren führen und Sie die Möglichkeit der
familieninternen Weitergabe anstreben:
1. Gewähren Sie genügend Raum, um allen Kindern die Möglichkeit
zu geben als Führungskraft der „neuen Zeit“ heranzuwachsen?
Haben Sie dabei konkrete, starre Erwartungen an den Nachwuchs
oder lassen Sie Freiraum für Neues?
2. Achten Sie auch darauf, die Kinder nicht zu unter- aber auch
nicht zu überfordern?
3. Würden Sie es merken, wenn Ihre Kinder etwas nur Ihnen zu
Liebe oder zu gefallen tun würden? Würden Sie dies zulassen?
Als bestehendeR ChefIn im Alter von 60 +, wenn Sie
Vorbereitungen treffen wollen für ihren pö-a-pö oder
ganzen Rückzug aus den Geschäften in den nächsten
5- 10 Jahren.
 
1. Haben Sie schon eine konkrete Vorstellung, welcheR
NachfolgerIN nach Ihnen den Betrieb führt und auf welche
Art und Weise?
2. Können Sie sich mit beiden Gedanken anfreunden und
dabei auch die Vorstellungen der Juniorgeneration zulassen?
3. Falls nicht, wie stellen Sie sich sonst die Nachfolge in 10 Jahren vor?

Ist bei der Bearbeitung alles klar gewesen oder kam etwas noch nicht Gelöstes hoch, welches näher angeschaut werden darf?

Grundlage: Der Mensch benötigt Handlungsmöglichkeit um sich gesund zu fühlen.

Frucht

Diese zwei Folgen – Blog #4 und Blog #5- waren nun ein kleiner Exkurs in die Welt der Führungsstile im Kontext von Familienunternehmen, so wie ich die Zusammenhänge glaube zu sehen.

Falls ich bei Ihnen etwas hervorgerufen haben sollte, was Sie mir mitteilen möchten, fühlen Sie sich herzlich willkommen.

Vor allem freue ich mich, wenn ich Sie inspirieren konnte und wünsche Ihnen viel Erfolg beim Beibehalten, Updaten oder Veredeln Ihrer Führungskonzepte.

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