Verhaltensstrategien: einstmals Schutz & jetzt Ursache ungünstige Situationen anscheinend nicht verändern zu „können“  

von | 12.03.2023 | Nachfolgegeneration, Seniorunternehmer, Wissenswertes für Jeden

Muster beeinflussen Handlungen– zwei Beispiele wie Muster eigenes Verhalten prägen

Der Chef eines Automobilzulieferer-Unternehmens hat vor Jahrzehnten gelernt, dass zur Effizienz- und Qualitätssicherung, die Belegschaft täglich zeitlich und auf Fehler hin kontrolliert werden muss. Mit diesem Führungsstil ist er immer gut gefahren.

Nun wird die Wandelgeschwindigkeit im Arbeitsleben und der Wirtschaft immer schneller.  Es werden Mitarbeiter benötigt, die in Veränderungsprozessen eigenständig handlungsfähig sind. Eigentlich ist der kontrollierende Stil kontraproduktiv für den Strukturwandel. Für den Unternehmer bedeutet dies physischen und emotionalen Stress. Anstatt sein eigenes Führungsmuster zu hinterfragen, verschärft er sein gewohntes Verhalten.

Ein Handwerksbetrieb der 90ziger Jahre, eine gefühlt bis dahin reine Männerdomäne, wird geführt von Vater und Sohn.  Nun heiratet der Juniorunternehmer eine Frau, die darin Bürotätigkeiten übernimmt. Um mit den zwei Männern zurechtzukommen, versucht sie, es immer allen recht zu machen. Sie ordnet sich unter, genauso wie es sie schon aus dem Elternhaus kennt. Anfangs läuft es gut, sie wird geschätzt, ist beliebt. Nun bemerkt Sie immer mehr, dass Sie nichts mehr zu sagen hat. Ist sie mal anderer Meinung als Ihr Ehemann oder Schwiegervater wird sie verbal niedergebügelt. Jetzt wird ihr klar, dass Ihr jahrelanges einseitiges Verhaltensmuster sie in eine überangepasste Rolle gebracht hat, aus der sie ohne Konflikte nicht mehr rauskommt.

Eine Hommage auf das menschliche Selbst-Schutz-System SSS

Es gehört zur Natur der Menschheit, dass jedes Kleinkind individuelle Methoden entwickelt, um sich geliebt, beachtet und sicher zu fühlen und mehr oder weniger emotional stabil bleiben zu können. Dies ist eine Meisterleistung für den kleinen Sprössling.  

Soziale Prozesse: Von Co – Regulation zur Selbstregulation im Kindesalter

Ein Kind kommt zur Welt. In den ersten Lebensjahren lernt es, die eigenen körperlichen Abläufe kennenzulernen, Gefühle einzuordnen und das eigene Verhalten dann, entsprechend der kognitiven, emotionalen und sozialen Entwicklung, der jeweiligen Situation anzupassen.

Anfangs sind Hungergefühle, Temperaturanpassung und der Schlaf-Wach-Rhythmus von zentraler Bedeutung.  Nach etwa 6 Monaten kommt das Verlangen nach Autonomie dazu. Durch die eigenständige Fortbewegung muss das Kind nun auch immer mehr mit Grenzen zurechtkommen.

Da ein Baby nicht selbst dafür sorgen kann, ernährt (körperlich und emotional), gewärmt und beschützt zu werden, ist es von der Gemeinschaft oder von seinen Bezugspersonen abhängig. Es muss sich willkommen, geborgen und sicher fühlen. Denn nur dann kann es sich beruhigt fallen lassen und vertrauen. Sind Bedürfnisse in Gefahr, schlägt das Baby Alarm. Es geht ums Überleben. Die körpereigene Alarmanlage funktioniert vom Lebensbeginn an. Dagegen ist es noch nicht in der Lage, sich von selbst zu beruhigen, eigenen Angstzustände zu regulieren.

Es benötigt die Zuwendung eines Elternteils bzw. einer Bezugsperson. Die Selbstregulation muss erst mit den erfahrungen im Laufe der Zeit erlernt werden.

Bis dahin dürfen Bezugspersonen helfen, Ihren Schützlingen die Angstzustände zu nehmen. Durch Körpernähe, Blickkontakt, feinfühlende Kommunikation können Eltern den Baby Halt, Beruhigung geben und damit den Puls senken, den Blutdruck runterzufahren und die Ausschüttung von Stresshormonen reduzieren. Dank einer einfühlsamer Co-Regulation fühlt es sich in Sicherheit und entspannt sich. So lernt es immer mehr sich selbst zu regulieren.

Ist die Co-Regulation in Form von sicherer Bindung nicht ausreichend, bleibt der Sprössling im emotionalen Stress hängen.

Je weniger ein Mensch im Baby- und Kleinkindalter führsorgliche Co-Regulation erhalten hat, umso mehr besteht das Risiko, im Erwachsenenalter schneller aus der Balance zu geraten und unter einem konstant hohen Stresslevel oder Angstzuständen zu leben.

Auf der einen Seite ist es für den kleinen Erdenmenschen überlebensnotwendig, Bedürfnisse auf physischer, emotionaler, sozialer, ect. Ebenen erfüllt zu bekommen, auf der anderen Seite können Erwachsene nur bis zu einem bestimmten Grad Ihr Leben auf die Bedürfnisse des Kindes ausrichten. Die Leistungs- und Funktionier-Gesellschaft und die Arbeitswelt machen es Eltern dahingehend nicht leichter. 

Ein Mensch kann auch nur so viel sichere Bindung und somit Co-Regulation vermitteln, was er selbst in sich verankert hat.

Die Natur hat bei Kindern ein Selbstschutzsystem vorgesehen.

Je nachdem, wie Mutter, Vater oder andere Bezugspersonen sich dem Kleinkind gegenüber verhalten, entwickelt es Methoden um schneller und sicher an die Befriedigung der Bedürfnisse zu kommen. Am besten ist es dabei, nicht in angstauslösenden Situationen zu gelangen, in denen es sich hilflos und ausgeliefert fühlt.

Monika Foertsch – Coaching für Personen aus Unternehmerfamilien

Weitverbreitete Strategien sind, es den Erwachsenen immer recht zu machen, süss und nett zu sein, gefallen und perfekt zu sein oder auch als Kaspar, Quertreiber, Rebell aufzufallen. 

Das Kleinkind erkundet Möglichkeiten, wie sich verhalten muss, um von den Anderen möglichst viel Aufmerksamkeit, Anerkennung, Liebe und somit Nahrung und Schutz zu erhalten.

Diese Schutzsysteme lassen sich in die Kategorien Überkompensation durch Kampf, Vermeidung durch Flucht, Unterwerfung durch Unterordnung, Erstarrung durch Todstellen, einordnen, wie bei jeglicher anderen Gefahr auch.  Sie sind tief in der Biologie verankert.

Verhaltensmuster beruhen auf Glaubenssätzen

Im Schutzsystem verbergen sich nicht nur die Gefühle, die bestimmte Situationen beim damaligen Kleinkind hinterlassen haben, sondern auch Aussagesätze der Eltern. Das Kind übernimmt ungefiltert von den Eltern bestimmte Glaubenssätzr, denn es will ja sicher zur Sippe gehören. Sie beeinflussen den Fokus, die Einstellung, die Interpretation des Kindes und den späteren Erwachsenen, somit auch die Werte und das Verhalten.  Aus Ihnen entstehen innere Überzeugungen, wie welches Selbstbild der Mensch von sich hat und Annahmen, was er über andere Menschen und die Welt denkt.

Die Glaubenssätze werden in ursprünglich positive und negative unterteilt. Sie können in bestimmten Situationen förderlich und nährend oder einschränkend sein.

Die Auseinandersetzung mit eigenen Überzeugungen rentiert sich allemal.

Bespiele, die die Zusammenhänge näher beschreiben:
Bespiele um Ihnen die Zusammenhänge
näher zu bringen
Auszug möglicher Überzeugungen
(Glaubenssätze), die sich beim Kind
verankern. Der tiefersitzende Satz ist meist: „Ich bin nicht o.k., so wie ich bin“
Um sich selbst Halt und Sicherheit zu geben,
findet der Mensch Möglichkeiten, um die Auswirkungen des Glaubenssatzes zu kompensieren
„Ohne mich schafft du nichts / bist du nichts.“„Ich schaffe nichts alleine / ich kann nichts. Ich bin wertlos.“Suche nach starken Persönlichkeiten, sich von starken Bezugspersonen abhängig machen oder diese überhöhen, Richtungen und Inhalte idealisieren, keine Verantwortung übernehmen, sich wenig zutrauen oder nichts zu Wege oder Ende bringen, ect.
„Dein Bruder ist besser als du. “„Ich bin nie gut genug, ich kann es niemanden recht machen, ich bin ein Versager, ich bin weniger wert als andere, ich muss perfekt sein und mehr leisten, mehr anstrengen.“Immer perfekt sein wollen (fehlerfrei, schnell, mehr und besser), ständig in Aktion sein, schädliches Konkurrenzverhalten, ect.
„Du bist anstrengend, eine Belastung.“„Ich muss mich ruhig verhalten, brav sein, unterordnen. Ich bin schuld. Ich darf keine Bedürfnisse äußern.“Eigene Gefühle unterdrücken, sich keine Bedürfnisse erlauben, unsicher sein, in Konflikten schnell nachgeben, ect.

Bewältigungsstrategien im Erwachsenenalter

Dieser anfänglich bewährte Schutzmechanismus wird im Erwachsenenalter noch vervollkommnet.  Sind Bedürfnisse in Gefahr, wird sofort das eingeübte, bekannte Verhalten, die Kompensationsstrategie aktiviert. Besteht die Bedrohung für das Schutzsystem, entlarvt zu werden, wird es von der Person gewöhnlich verteidigt.

Ständiges Getrieben-sein in Freizeit oder Beruf, Streben nach Status/Titel/Macht/Wissen/ Harmonie, perfekt sein, dauerhaft funktionieren, kontrollieren, sich erhöhen über andere, für wirklich alles und Jeden Verständnis haben, sich für jemanden oder etwas aufopfern….  sind einige der gesellschaftlich anerkannten Bewältigungsmechanismen.

Anderes Verhalten, wie nichts durchziehen, leidenschaftlich eifersüchtig sein, streitsüchtig sein, sich abwenden von sozialen Kontakten, ständiges Beklagen und andere sind für die betroffene Person und den Beteiligten auf Dauer problematisch.

Hilfe bei eingefahrenen Verhaltensmustern- erleichtert leben

Die Bewältigungsmethoden sind bis zu einem gewissen Grad und gewisser Häufigkeit nützlich. Sie beruhen auf eine geniale Leistung aus der Zeit, als sich das Kind anpassen musste, um sich verbunden und sicher zu fühlen. Jedoch, wenn nur noch auf die eine Art reagiert werden kann, tut es not zu prüfen, ob die Bilanz zwischen gewünschten Effekten und unerwünschten Auswirkungen noch zufriedenstellend ist.

Gründe, die für die Aufweichung des Schutzprogrammes sprechen:

  • Sie bringen zu viele Nachteile und wenige Vorteile
  • Sie schränken die Person ein und sind Grundlage vieler Blockaden. Dabei halten sie Menschen zurück, andere und bessere Erfahrungen zu machen und Neues zu lernen.
  • Sie verhindern oftmals Potentialentfaltung
  • Anstatt des beabsichtigten Schutzes belassen sie Menschen in Kampf, Flucht, Stagnation und Erstarrung. Durchbrechen Sie den automatischen Ablauf.
  • Sie verdecken den ursprünglichen Schmerz, die Angst. ohne diese zu entkräften.
  • Sie werden automatisch abberufen und nicht bewusst eingesetzt.
  • Sie führen zu Konflikten und Verletzungen (sich und andere).

Mehrwert:

  • Andere Blickwinkel einnehmen
  • Verhaltensportfolio erweitern
  • Sich besser fühlen
  • Sich und andere besser verstehen
  • Besser Stresssituationen bewältigen (Stresstoleranz erhöhen)
  • Innere Dilemma und Konflikte mit anderen leichter lösen
  • Beziehungen unkomplizierter leben

Verhaltensmustern auf der Spur

  • Schutzstrategien aufspüren und identifizieren
  • Sich spüren dürfen
  • Verdrängtes zulassen
  • Auslösesituationen (von jetzt und damals) erkunden
  • Ihre ehemaligen Funktionen erkennen und diese Seiten behutsam begleiten
  • Günstige Verhaltensweisen definieren und in die Routine bringen ggf. mit Ritualen einläuten
  • Sich ein Vorbild suchen
Monika Foertsch – Coaching für Personen aus Unternehmerfamilien
Monika Foertsch – Coaching für Personen aus Unternehmerfamilien

Sie haben Verhaltensmuster bereits als ungünstig diagnostiziert. Dennoch ist der Sog, wieder ins Gewohnte zu fallen sehr stark. Auch ist es zu erwarten, dass Neues erst mal mit unguten Gefühlen oder schlechtem Gewissen einhergeht.
Das ist verständlich und nachvollziehbar. Das Alte bot eine gewisse Überschaubarkeit. Es hatte lange die Funktion, Sie zu schützen und im gewissen Maße Ihre Selbstwirksamkeit zu gewährleisten.    
Seien Sie geduldig und begleiten Sie sich liebevoll in Ihre neue Mobilität.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie jemanden an Ihrer Seite haben, die Ihre Veränderungen unterstützt.
Sie müssen Dinge nicht alleine tun.

Weitere interessante Artikel lesen: